„Gute Güte… Ganz von Beginn an? Wehe euch, wenn es euch langweilt! Das wird klingen wie bei den geehrten Geschichtslektoren, denen ich, zu meiner Freude nicht zu oft zuhören musste. Nicht, dass die meisten ohnehin mit uns Worte wechseln wollten… Aber das zu erzählen ginge nun wirklich zu weit. Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt! Nun denn. Es war zu einer Zeit, das mögen nun vielleicht bald 30 Jahre sein, als ich tatsächlich noch einen Nachnamen trug, der auch noch etwas zu bedeuten hatte! Um genau zu sein bedeutete er in dem Dorf meiner Geburt arm zu sein. Denn selbst wenn es auf dem Land genug ehrliche Arbeit zu verrichten gibt, gibt es doch auch, öfter als man denken mag, schlechte Zeiten – mal verhagelt, verregnet, verdorrt oder verbrennt die Saat, das bestellte Feld oder die Ernte und wenn keine fremden Soldaten die Ländereien verwüsten, dann verordnet der Landsherr Steuern, damit seine Soldaten sich andernorts wüst aufführen können… Nein, wertes Weib, ich schweife nicht ab! Die Herrschaften wollten alles hören! Nein das… ich sage doch nur… Lass mich doch einfach in Frieden erzählen! Nun haben wir endlich ein wenig Ruhe, vorerst zumindest. Oh, macht euch keine Gedanken. Ihr Unmut hält sich bei mir nicht lange. Wo waren wir?

 Cieli? Das erste Mal habe ich sie getroffen, als ich als junger Bursch in ihrem Dorf nach Arbeit suchte. Sie ließ mitten auf der Straße ihre Körbe fallen. Man könnte nun meinen, dass ihr als junges Mädchen die Last zu schaffen machte. Ich glaube jedoch, dass sie mit ihren Gedanken woanders war und einfach nicht auf ihre Füße achtete. Wie dem auch sei, ich wollte als anständig und arbeitsam gesehen werden und half ihr beim Tragen. Bitte? Nun ja, etwas imponieren wollte ich ihr vielleicht auch. nicht, dass es etwas geholfen hätte. Lasst euch das sagen. Sie nennt es ihren Stolz und ich rede ihr da nicht gegen, aber diesen Starrsinn hatte sie schon als junge Maid. Wenn man allerdings mit dem aufheben und wegtragen von Körben schnell genug ist, dann fehlt jungen Frauen oft die Zeit und die Luft sich zu beschweren. Hierzu war und ist sie allerdings eine Ausnahme. Nehmt euch davor in Acht! Sie wird nicht schweigen bis sie ihrem ganzen Ärger Luft gemacht hat… und selbst dann bleibt sie nur selten lange still.

 Nach diesem Tag ging ich davon aus sie nicht wieder zu sehen. Und ich hatte auch keine rechte Lust mir ein weiteres Mal anzuhören worüber sie sich zu beschweren hatte. Ich vermute sie hat sich an diesem Tag mehr als nur den Frust über meine zuvorkommende Art von der Leber geredet.

Wie es aber geschah trafen wir uns auf einem Erntefest noch im gleichen Jahr wieder. Weder sie noch ich hatte die Erlaubnis dort zu sein, aber das scherte uns nicht. Vielleicht trieb es uns sogar an, denn in gewisser Weise wohnt in mir ein ebensolcher Starrsinn. Es war die letzte Nacht die wir heimkehrten. Am nächsten Tag waren wir fort. Wie es bei Streunern und Wandersleuten so ist blieb neben der Rastlosigkeit leider auch der Hunger unser steter Begleiter. Die Lust an der Ferne, der Lockruf des Horizonts – das ist uns geblieben. Der Hunger war ein wehrhafter Schurke, aber gemeinsam waren wir verbissen genug.

 Die langen Nächte bei Tehrn, die zwei Ewigwinter, der Goldkelch des Kaufmanns und die Überfahrt zur Morgenbucht – Hunger und Gevatter Tod mussten sich geschlagen geben, zumindest bis jetzt.

 Der Goldkelch? Na, wer wittert denn da das große Geld? Nein, nein. Das ist nun wirklich eine Geschichte für einen anderen Abend.“

Abschrift aus der Stadtbibliothek, Rajka Stern im Jahr des Urchaos 2023

Von Ronja

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